Nesthorn, Südgrat
Zuerst muss ich erklären, wo das Nesthorn (3821 m) liegt: am Ende des Gredetschtals, welches parallel zum bekannteren Baltschiedertal verläuft. Obwohl dieser Berg mit seiner Höhe in der Liga der Grossen, wie dem in der Nähe gelegenen Bietschhorn, spielt, ist er nur wenig bekannt und wird selten bestiegen. Das liegt wohl daran, dass er recht versteckt liegt (ausser man ist gerade im Gredetschtal), und dass er wirklich schwer zugänglich ist.
Simone und ich starteten vom Parkplatz bei Zienshischinu, wo wir den Tunnel durchliefen und die mehrstündige Wanderung ans Ende des Gredetschtals auf uns nahmen. Der Rucksack drückte schwer, denn wir hatten die ganzen Biwaksachen dabei. Mit der Zeit verlief sich der Wanderweg, und wir stiegen weglos zuerst in steilen Grashängen, dann in Geröll bis an den Fuss der Genderflüo bei ca. 2820 m, wo wir unser Biwak parat machten. Nach einem Znacht aus Tütenfutter legten wir uns bald schlafen. Ich musste feststellen, dass meine Isomatte ständig Luft verlor; trotzdem konnte ich ein bisschen schlafen. Um vier Uhr wurden wir unsanft durch einen unvorhergesehenen Regenschauer geweckt und verkrochen uns in die Biwaksäcke.
Als wir um fünf Uhr aufstanden, war der Regenschauer vorbei. Trotzdem war das Wetter stark bewölkt und machte uns einige Sorgen. Wir beschlossen, zumindest bis zum Einstieg des Südgrats hochzusteigen, wobei wir unterwegs erneut kurz verregnet wurden. Der Fels war aber noch weitgehend trocken. So starteten wir die Kletterei. Diese hatte es ordentlich in sich! Der Fels war wunderschön, aber auch recht kompakt und geschlossen, und damit ziemlich schwierig abzusichern. Wir kletterten beide mit den Finken.
An einem exponierten Standplatz kam der nächste Schauer – diesmal in Form von Graupelschnee. So schlecht war das Wetter wirklich nicht prognostiziert worden! Da der Schauer aber bald aufhörte, kletterten wir einigermassen ausgekühlt weiter. Die Schwierigkeiten nahmen lange nicht ab und bewegten sich konstant im vierten bis unteren fünften Grad. Zum Glück blieb es ab da trocken und wurde mit der Zeit sogar halbwegs sonnig.
Nach einer Abkletterstelle konnten wir uns, wie geplant, aufs Schrofengelände abseilen und die letzten zwei (?) Türme in einfacher Kletterei umgehen. Dabei gewannen wir in kurzer Zeit viel Höhe und gelangten zurück auf den Grat. Ab da war die Kletterei deutlich einfacher. So erreichten wir das Ende des Grats und eine kurze Passage mit steilem, durchfeuchtetem Schnee und einer kleinen Wächte. Nach einem kurzen Schneehang standen wir um halb vier auf dem Gipfel des Nesthorns. Nicht gerade eine Rekordzeit: die witterungs- und klettertechnischen Schwierigkeiten hatten uns doch deutlich verlangsamt.
Der Abstieg zog sich leider auch noch ziemlich in die Länge. Nach der Traverse zum Nebengipfel 3717 m mussten wir die Eisschrauben hervorholen, um die Firnflanke absteigend zu sichern. Dann kam noch eine kurze Kletterei über einen Blockgrat, bis wir problemlos das Gredetschjoch abseilen konnten. Zurück zum Biwakplatz und die zurückgelassenen (und halbwegs getrockneten) Sachen eingepackt, schon liefen wir weiter herunter ins Gredetschtal. Mit der Zeit wurde es dunkel. Im Schein der Stirnlampen kamen wir endlich beim Auto an – komplett erschöpft, aber um eine grosse Bergerfahrung reicher.
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